Programm
Wir haben die Initiative WZN – Wir Zahnärzte in Nordrhein gegründet, um sowohl gegenüber der Öffentlichkeit, als auch innerhalb der Zahnärzteschaft ein Forum zu schaffen, in offener, vorurteilsfreier Diskussion die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung in der Gegenwart und für die Zukunft zu beschreiben und an ihrer Weiterentwicklung mitzuarbeiten.
Mitgestalten statt verwalten
1. Ordnungspolitische Rahmenbedingungen verändern
Zentrales Ziel unserer Politik der kommenden Jahre muß sein, in der Politik und der Öffentlichkeit für einen Bewußtseinswandel in der Gesundheits- und Sozialpolitik zu werben. Die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen der GKV müssen verändert werden:
Weg von der Fremdbestimmung durch staatliche Eingriffe und hin zu mehr Eigenverantwortung und sozialer Marktwirtschaft im Gesundheitswesen auf der Basis fachlich fundierter zahnärztlicher Therapie.
Das bedeutet:
* Freiberufliche Praxen statt Ausführungsorgane von Verwaltungsanordnungen
* Anerkennung von Eigenverantwortung und Patientensouveränität statt Bevormundung des Sozialversicherten
* Freie Arztwahl zwischen verschiedenen Formen der zahnärztlichen Behandlung
* Wettbewerb zwischen den Kassenarten und Wettbewerbsbereitschaft zwischen den freiberuflich tätigen Ärzten und Zahnärzten
* Deregulierung des Kassenarztrechts
* Erhalt der Selbstverwaltung und Liberalisierung der Entscheidungsräume
* Rückzug des Staates auf Festlegung der Rahmenbedingungen und Beschränkung auf reine Rechtsaufsicht
Wir wollen aktiv an der Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens mitarbeiten und uns vernünftigen Reformen nicht verweigern.
2. Verbesserung von Politik- und Dialogfähigkeit des Berufsstandes
Heraus aus der Trutzburg selbstverschuldeter Isolation einiger zahnärztlicher Berufsvertreter: Die Politik darf keinen Vorwand finden, weiterhin ohne Beteiligung der Zahnärzte Fragen von vitaler Bedeutung für den Berufsstand zu entscheiden. Die Interessen des Berufsstandes müssen zugleich selbstbewußt und mit Augenmaß vertreten werden. Wir Zahnärzte sind als Interessengruppe zu klein, um allein Lösungen zu erzwingen. Verbalradikalismus und Drohgebärden werden von niemand ernstgenommen und ersetzen keine hartnäckige, geduldige, konsequente Interessenvertretung. Wir Zahnärzte sind Teil der Gesellschaft und können wie alle gesellschaftlichen Gruppen unsere Interessen nur im gesellschaftlichen Kontext durchsetzen. In der zahnärztlichen Berufspolitik ist es nötig, demokratischen Prinzipien wieder Geltung zu verschaffen.
3. Freiheit und Eigenverantwortung im Sozialstaat realisieren
Wir wollen mehr Selbstbestimmung für Patient und Zahnarzt im System der sozialen Sicherheit. Unabhängig davon, in welchem Umfang die medizinische Versorgung Teil des Sicherungssystems ist, bleibt sie Gemeinwohl-Anforderungen unterworfen. Kein moderner Industriestaat entläßt das Gesundheitswesen in die totale Marktfreiheit. Daher: Essentielle Grundversorgung, insbesondere präventive Maßnahmen, als vertragliche Leistung der Krankenkassen. Kosten vermeidbarer zahnmedizinischer Erkrankungen gehören auf Dauer zum großen Teil in die Selbstverantwortung des Patienten.
4. Innovatives Denken statt ideologischer Scheuklappen
Die Innovationsbereitschaft des Berufsstandes ist gefordert: Die Politik wird uns Zahnärzte verstärkt nach Konzepten fragen. Dafür muß ein sachliches und personelles Angebot zur Verfügung stehen, das glaubwürdig ist. Neben einer Leistungsdifferenzierung wird auch eine „Angebotsdifferenzierung“ auf die Dauer unausweichlich sein. Denkbar sind verschiedene zahnmedizinische Leistungspakete. Fachliche Schwerpunkte und nicht zuletzt die Standorte der Praxen sind durchaus verschieden und treffen auf eine verschiedene soziale und wirtschaftliche Nachfragesituation der Patienten. Dem tragen weder ein leistungsrechtliches Alles-oder-Nichts-Prinzip der Krankenkassen noch ein starres Korsett einheitlicher Kassentarife Rechnung, die an Grundlöhne und beitragsbezogene Budgets gekoppelt sind. Die Zahnärzteschaft muß sich wettbewerbs- und leistungsoffen präsentieren und dem Bedürfnis nach Differenzierung des Leistungsangebots Rechnung tragen. Dabei darf nicht ein ruinöser Wettbewerb bewirkt werden, der auf große Teile des Berufsstandes keine Rücksicht nimmt (keine zahnärztliche „Drittelgesellschaft“), vielmehr sind leistungs- und kostenorientierte Anreize für freiberufliche Praxen sowohl im Rahmen vertragzahnärztlicher als auch in der komplementär-privaten Versorgung zu schaffen.
5. Neuen Leistungsinhalten und -formen den Weg bereiten
Zahnmedizinischer Fortschritt muß verstärkt gefördert werden und zeitnah in Beschreibung und Honorierung in die Gebührenordnung Eingang finden. Kurzfristig muß es zu inhaltlichen Abklärungen einer modernen Parodontologie in der vertragszahnärztlichen Versorgung kommen. Die Leistungen zahnärztlicher Vorsorgemaßnahmen müssen in verstärktem Maße essentielle Grundlage der vertraglichen Leistungen der Krankenkassen werden – weg von der Defekttherapie und hin zur Gesundheitserhaltung und -förderung. Durch individualprophylaktische Maßnahmen in den zahnärztlichen Praxen sowie die verstärkte fachliche Förderung gruppenprophylaktischer Maßnahmen durch die zahnärztlichen Körperschaften ist der Vorbeugung von Karies und Parodontitis sowohl ein höherer Stellenwert als auch eine größere Effizienz zu verschaffen.
6. Qualitätsförderung versus Qualitätskontrolle
Wir stehen zu einer fachlich orientierten Qualitätsdiskussion. Statt einer „Qualitätskontrolle“, wie sie in §136 GSG gefordert wird, müssen, auch gemeinsam mit den Versicherungen, Wege der Qualitätsförderung in der zahnärztlichen Versorgung gefunden werden. Die Herausforderung der Qualitätsförderung muß offensiv angenommen werden.
7. Situation von Forschung, Lehre und Fortbildung verbessern
An 32 Hochschulen werden mehr als 15.000 Studenten der Zahnmedizin ausgebildet, mehr als im übrigen Europa zusammen. Die Zahl der Studienabgänger übertrifft den Bedarf bei weitem. Daher ist eine Reduzierung der Studentenzahlen dringend geboten, weil eine praxisnahe Ausbildung an Universitäten mit hohen Studentenzahlen nicht mehr in ausreichendem Maße garantiert werden kann. Sollte dies ohne Schließung von Hochschulstandorten nicht möglich sein, darf die Schließung von Universitätseinrichtungen kein Tabu sein. Es ist daher zu begrüßen, daß die bisher bekannten Beratungsergebnisse zur Novellierung der Approbationsordnung dem Rechnung tragen.
Die Hochschulen müssen auch in der Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung der Zahn, Mund- und Kieferheilkunde fachliches Engagement zeigen. Die freiwillige Fortbildung der Zahnärzte, die von keinem anderen Beruf übertroffen wird, darf nicht durch staatliche Reglementierung eingeschränkt werden, zumal diese ausschließlich durch eigene Mittel erbracht wird.
8. Aufgaben der Selbstverwaltung neu definieren
Statt einer Zerschlagung der zahnärztlichen Selbstverwaltung und deren Übernahme in die Kassenärztlichen Vereinigungen, wie im Zuge der Diskussion um die 3. Stufe der Gesundheitsreform zu hören war, sind die Dienstleistungsfunktionen der Kammern und KZVen für die Zahnärzte zu verstärken. Neben der Abrechnung per Datenträgeraustausch müssen umfassendere Informationen über ökonomische und rechtliche Fakten erfolgen. Die Rechtspositionen der Zahnärzte müssen offensiv vertreten werden, u.a. auch durch ständigen Kontakt und Informationsfluß zu Sozialgerichten, Wissenschaftlern und Sachverständigen. Der permanente Kontakt mit Politikern muß weiter intensiviert werden, auch in Phasen außerhalb konkreter Gesetzgebungsverfahren und nicht nur bei Honorarstreitigkeiten. Berufspolitik darf nicht nur mit Forderungen oder Vorwürfen an die Politik herangetragen werden, sondern muß in dauerndem beratenden Dialog mit der Politik stehen. Eine verstärkte politische Kontaktarbeit durch kompetente und durch ihr Amt legitimierte zahnärztliche Berufsvertreter ist ebenso zu leiten wie eine bessere professionelle Öffentlichkeitsarbeit, die das Image der Zahnärzte positiv wandelt. Aktionen zur Verbesserung des Ansehens der Zahnärzte auf regionaler Ebene sind dabei ebenfalls zu fördern.
9. Den Berufsstand sammeln statt spalten
Zur Erreichung all dieser Ziele ist ein einiger Berufsstand unerläßlich. Forderungen nach einem imperativen Mandat oder berufspolitische Alleinvertretungsansprüche spalten den Berufsstand und schwächen seine Außenwirkung. Die zahnärztliche Berufspolitik hat sich in 40 Jahren demokratiefremder Zentralisierung von der zahnärztlichen Basis entfernt. Innerhalb der Zahnärzteschaft ist daher ein Konsens zu finden, um zu verhindern, daß widersprüchliche Vorschläge von Zahnärztegruppen unterschiedlicher Legitimation als solche der gesamten Zahnärzteschaft ausgegeben werden. Ideologisierung und Radikalisierung haben den Berufsstand nicht nur ins politische Abseits gestellt, sondern führen auch zu konkreten materiellen Nachteilen. Einige nachteilige GSG-Bestimmungen und Rechtsverluste sind auf diese falsche Berufspolitik zurückzuführen, die den Vorwand für das Eingreifen des Staates lieferte. Es sei nur an einige GSG-Eingriffe in die Selbstverwaltung, Honorarregelungen wie Degression oder Wiederzulassungssperre bei Kassenniederlegung erinnert. Hier gilt es, in der Öffentlichkeit Vertrauen zurückzugewinnen durch eine intelligente und seriöse Interessenvertretung, die Durchsetzungsfähigkeit und Konsequenz mit Augenmaß und Realismus verbindet. Sinnlose Konfrontation, hilflose Drohgebärden oder resignative Isolation, wie sie von einigen Berufsvertretern praktiziert werden, nützen dem Berufsstand nicht.
Nur wer sich all diesen Herausforderungen stellt, hat in den kommenden Jahren die Chance der Mitgestaltung. WZN – Wir Zahnärzte in Nordrhein, stellen uns diesen Herausforderungen